In meinem nicht Lofter-Leben arbeite ich eigentlich bei Airvinci, einem kanadischen Start-Up, bei welchem wir einen neuartigen Helikopter entwickeln. Dazu habe ich letzte Woche Gizmag ein Interview gegeben und nach der Veröffentlichung Anfang der Woche habe ich es in den letzten Tagen in diverse andere Blogs in mittlerweile über 10 Sprachen geschafft – Meine Lieblingsversion ist ein französischer Blog der mich als „Larkus“ zitiert hat.
Auf jeden Fall Grund genug auch mal hier auf die Geschichte einzugehen und da ich hier weder Selbstdarstellung noch Schleichwerbung machen will, dachte ich nutze ich meine Wissen, um Einblick in diesen neuen und (auch unabhängig von meiner Arbeit) unglaublich aufregenden Technologiezweig zu geben.
In 2016 kommen wir der Idee vom „fliegenden Auto“, sprich einem Fluggerät, mit dem man täglich kurze Strecken zurücklegen kann, mal tatsächlich näher. Es ist ja nicht so, dass über die Jahre nicht viele Ideen und Konzepte dazu vorgestellt wurden. Bei genauerer Betrachtung hatten jedoch alle derartige Schwächen im Design, dass sie zwar oft spektakulär aussahen aber nie wirklich für zum Einsatz kamen. Eines der bekanntesten ist das Moller SkyCar, welches zwar häufig auf Shows präsentiert wurde, dabei aber stets nur ein paar Meter auf und ab geflogen ist und zusätzlich immer an der Stahlseilsicherung eines Krans hing.
Nun zu 2016, welches für die Idee vom „fliegenden Auto“ quasi schon im Dezember 2015 angefangen hat: Martin Jetpack hat seine ersten 20 Modelle an Dubai verkauft. Nun kann man sagen, dass der Martin Jetpack ohne Kabine nicht unbedingt als fliegendes Auto herhalten kann und dennoch ist er bereits seit einigen Jahren in Tests geflogen und (und das ist entscheidend) auch ferngesteuert werden kann. Der Ehang 184, der im Januar auf der CES in Las Vegas vorgestellt wurde kann sogar noch wesentlich mehr als das: Er ist das erste funktionierende AAV, ein Autonomous Aerial Vehicle.
Von Computern gesteuert ist der einzige Mensch an Bord kein Pilot mehr, sondern nur noch ein Passagier. Auch wenn die offenen Propeller auf Kniehöhe und nur 23 Minuten Flugzeit sicherlich noch Mängel sind die behoben werden müssen, so hat es Ehang dennoch letzten Monat geschafft, eine erste Hürde zur Fluglizenz zu nehmen – Nevada hat ein erstes Gebiet zu weiteren Tests und zur zukünftigen Nutzung für Touristenflüge freigegeben.
Andernorts sind Gesetze und Vorgaben für zivile Drohnen bislang prohibitiv streng. In Deutschland muss beispielsweise eine direkte Sichtlinie zwischen Fluggerät und Pilot bestehen. Darüber hinaus sind Drohnen mit Menschen an Bord, die nicht selbst steuern, für Luftaufsicht und Versicherungen bislang absolut undenkbar. Die Geschichte aber zeigt, dass Gesetzgebung und Aufsichtsbehörden dem technischen Fortschritt irgendwann folgen werden und Nevada ist da ein erstes ermutigendes Beispiel.
In den Monaten nach Januar hat Ehang viel Kritik von der Fachpresse dafür bekommen, dass es noch nicht einmal die Option gibt an Bord selbst steuern zu können. Dennoch muss man sagen, dass den Entwicklern hier ein wichtiger Schritt gelungen ist.
Die Entwicklung von Systemen für Computergesteuertes Fliegen oder zumindest Computer-Unterstütztes Fliegen ist für eine Zukunft mit „fliegenden Autos“ unerlässlich. Wenn man sich den normalen Straßenverkehr vorstellt und diesem die dritte Dimension hinzufügt ist klar, dass es die Reaktion und Übersicht eines Menschen überfordern würde. Um individuellen Luftverkehr in urbanen Gebieten zu ermöglichen sind Computergestützte Systeme definitv notwendig.
Gleichzeitig werden durch solche Systeme die Einsatzfähigkeit der neuen fliegenden Autos extrem erhöht. So könnten logischerweise auch „Leerflüge“ durchgeführt werden wodurch die Notwendigkeit entfällt selbst einen Martin Jetpack, Ehang oder Airvinci zu besitzen: FlyingCarShare Geschäftsmodelle könnten die Kosten fürs Fliegen nochmals drastisch senken und noch mehr Menschen zugänglich machen. Wie eine Art UberHeli funktionieren könnte, habe ich vor ein paar Wochen bereits in einem anderen Blogpost dargestellt.
Auch könnten Entwicklungen und Erfahrungen von selbstfahrenden Autos, wie das von Google, helfen die Kommunikation zwischen den verschiedenen Drohnen in der Luft zu ermöglichen. Im Gegensatz zu selbstfahrenden Autos sind solche Systeme in der Luft vergleichsweise einfacher zuverwenden, da dort wesentlich weniger Objekte, die nicht „kommunizieren“ unterwegs sind (Fußgänger, ältere Autos etc.).
Ende März schließlich hat auch eine deutsches Start-Up, Volocopter aus Karlsruhe, einen weiteren Jungfernflug gefeiert. Im Gegensatz zum Ehang 184 ist der Volocopter VC200 von Bord aus steuerbar und verfügt mit einem Piloten an Bord bereits über seine Fluglizenz als Ultraleicht-Hubschrauber
Technisch sind auch ferngesteuerte Flüge möglich, entweder unbemannt oder mit lediglich Passagieren an Bord. Vom Design her haben die vielen kleinen Rotoren, 18 an der Zahl, Vor- und Nachteile. So machen sie den VC-200 sehr sicher, da ein Ausfall einzelner Propeller problemlos ausgeglichen werden könnte, in relativ dicht besiedelten Gebieten könnte jedoch der Durchmesser von 7.60 Metern etwas problematisch sein. Dennoch ist der Volocopter im Moment sicherlich eines der am weitesten fortschrittene Fluggerät welches wir, vorausgesetzt die deutsche Aufsichtsbehörden stimmen dem zu, in naher Zukunft bereits fliegen könnten.
Nun im Juli sind wir von Airvinci als nächstes dran unseren Prototypen ausgiebig zu testen. Etwas ähnlich dem Volcopter haben wir ein möglichst vielseitiges Fluggerät, dass neben Personen auch mit verschiedenen Vorrichtungen zum Materialtransport ausgesrüstet werden kann. So könnten in nicht allzu ferner Zukunft auch Amazon oder DHL nicht nur Bücher per Drohnendirektlieferung nach Hause liefern sondern auch Fernsehr, Waschmachinen oder Kajaks schnell und einfach ankommen. Was solche Entwicklungen für Zukunft von Onlinehandel und Lieferdiensten bedeutet, kann momentan noch gar nicht abgeschätzt werden.
So unterschiedlich alle Konzepte auch sind, so teilen sie alle die Fähigkeit für vertikale Starts und Landungen (VTOL, elementar um in Städten fliegen zu können) und sparen sich komplizierte Technologien zur Rotorblattverstellung bzw. Heckrotoren. Hier haben die Ingenieurteams jeweils alternative Lösungen gefunden um vorallem auch die extrem hohen Instandhaltungskosten konventioneller Hubschrauber entscheidend zu senken. Darüberhinaus haben alle Hersteller mehrere Sicherheitssysteme eingebaut, um ein sicheres Flugerlebniss zu garantieren: Bei Airvinci haben wir bspw. zwei separate Flugmotoren und einen ballistischen Fallschirm, der sozusagen als dritte Fangleine den unwahrscheinlichen Fall eines doppelten Motorschadens absichert. Und schließlich auch die bereits angesprochenen Fähigkeit zum ferngesteuerten bzw. autonomen Flug, welche viele Dienstleistungsbranchen revolutionieren wird – Ganz Industrie 4.0 eben.
Mit vier funktionierenden Modellen und den sich in die richtige Richtung entwickelnden Rahmenbedinungen scheint in 2016 tatsächlich die Zukunft mit „fliegenden Autos“ eingeläutet worden zu sein.
Anschauen, gut finden und (bald) selbst losfliegen!